Workshop „Biotopverbund“ im Landkreis Tübingen
Veröffentlicht am: 24. Mai 2017
Vertreter von Forschung, Forstwirtschaft und angewandtem Naturschutz vernetzten sich bei einem Workshop zum Thema „Biotopverbund“ an der HFR.
Fotos: Pagel
Dabei diskutierten unter anderen Wildtierforscher Martin Strein (FVA) und Biologin Sabine Geißler-Strobel (IAN) die Chancen und Risiken in der Umsetzung des Generalwildwegeplans für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Baden-Württemberg.
Markus Pagel (NABU) und Steffen Döring (HFR) organisierten einen Workshop zum „Biotopverbund“ im Landkreis Tübingen: Wie lassen sich Lebensräume sinnvoll und klug miteinander vernetzen? Teilnehmer aus ganz Baden-Württemberg nutzten die Gelegenheit sich über diese Frage auszutauschen.
Der Verlust von Tier- und Pflanzenarten zeigt sich auch im Landkreis Tübingen. Viele Tiere können nicht von einem Lebensraum in einen anderen wandern. Straßen, Kanäle und Siedlungsbereiche versperren ihnen den Weg. So verenden jedes Jahr mehrere Wildschweine im Neckarkanal westlich von Tübingen, da sie den Kanal zwar durchschwimmen, aufgrund der steilen Beton-Böschung jedoch nicht wieder hinaus klettern können. Martin Strein von der von der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg (FVA) und der Wildtierbeauftragte des Landkreises Jürgen Schneider (ForstBW) sind daher froh, dass im Zuge des Ausbaus der B28 auch eine Grünbrücke über den Kanal geplant ist. Die Landschaft zwischen Bühl und Tübingen ist eine der wenigen Stellen, wo Tiere vom Waldgebiet Rammert in den Schönbuch wandern können. Hochschulmitarbeiter Steffen Döring (HFR) erläutert: „Es handelt sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt von ForstBW, der Hochschule Rottenburg und der Stadt Tübingen. Es wird zudem die erste Grünbrücke aus Holz in Baden-Württemberg sein.“ Nach ihrer Vollendung wird diese Grünbrücke einen wichtigen Beitrag leisten, Lebensräume zu verbinden.
Die Zerschneidung von Lebensräumen ist nicht nur in Deutschland problematisch. Welche Möglichkeiten es zur Vernetzung über Ländergrenzen hinweg gibt, erläuterte Johanna Fritz (FVA) anhand von einem internationalen Forschungsprojekt am Hochrhein.
Andere Best-Practice Beispiele für die Vernetzung von Lebensräumen wurden von den Workshop-Teilnehmern an Ort und Stelle diskutiert. Martin Strein erklärt: „Die Ansprüche von Fledermäusen an Über- oder Unterflughilfen von Straßen sind höher, als man erwartet. Fledermäuse können zwar fliegen, aber sie orientieren sich dabei meistens an Hecken oder Gewässern. Sie sind Tiefflieger und schon die Luft-Verwirbelungen von LKWs können die leicht gebauten Tiere schwer verletzen.“
Ein Aha-Erlebnis war für viele Teilnehmer die Sichtung des vom Aussterben bedrohten Kiebitzes. Feldvögel wie Kiebitz, Braunkehlchen, Rebhuhn und Grauammer sind auch im Neckartal sehr selten geworden. Die Biologin Dr. Sabine Geißler-Strobel der Initiative Artenvielfalt im Neckartal (IAN) weist auf Zusammenhänge hin: „Der Kiebitz braucht ungestörte Felder, sogenannte Brachflächen und kleine Gewässer wenn er brütet. Er meidet Landschaften in denen viele Hecken und Bäume die Felder begrenzen.“ Das Pflanzen von Hecken, um Lebensräume für Wildtiere zu verbinden, ist daher keine Universal-Lösung. Andere Maßnahmen, wie zum Beispiel ungenutzte Brachflächen zu erhalten, dienen nicht nur zur Wanderung für viele Arten, sie bieten auch Lebensraum und Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und Kleinsäuger.
Inga Häuser präsentierte das Projekt ‚Grünes Wegenetz‘ der NAJU Baden-Württemberg, mit dem Studierende gezielt an das Thema herangeführt werden und Markus Pagel, NABU Gäu-Nordschwarzwald berichtete von der gerade abgeschlossenen Untersuchung zur Durchlässigkeit der A81 zwischen Horb und Böblingen, die mit Schülern und Jugendgruppen durchgeführt wurde.
Jürgen Schneider, Förster und Wildtierbeauftragter im Kreis Tübingen und Sabine Geißler Strobel führten die Teilnehmer anschließend zu mehreren Stellen rund um Tübingen, an denen bereits Maßnahmen zum Lebensraumverbund umgesetzt wurden.