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Waldlabor Zürich: Einblick in den Kulturwald und zukunftsweisende Forschung

Veröffentlicht am: 24. Juli 2024

Am 27. Juni 2024 besuchte der Masterkurs der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) das Waldlabor Zürich. Die von Dr. Martin Brüllhardt, dem Geschäftsführer des Waldlabors, geleitete Exkursion bot spannende Einblicke in die vielfältigen Ziele und Projekte des Waldlabors.

Das Waldlabor

Dr. Brüllhardt erläuterte den Ansatz des Waldlabors als Reallabor, eingebettet inmitten der über eine Million Einwohner zählenden Agglomeration Zürich, das den vom Menschen beeinflussten und gepflegten Kulturwald zeigen und erforschen will. Es wurde im Jahr 2019 von WaldZürich, dem Verband der Zürcher Waldeigentümer, anlässlich seines hundertjährigen Bestehens ins Leben gerufen. Weitere Partner sind die Stadt und der Kanton Zürich, die Waldflächen für die nächsten 100 Jahre als Versuchsfläche zur Verfügung stellen, sowie die ETH Zürich, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und der Verband Zürcher Forstpersonal.

Das Waldlabor verfolgt das Ziel, die vielfältigen Leistungen des Waldes für die Gesellschaft zu demonstrieren und den nachhaltigen Umgang mit diesem wichtigen Lebensraum zu fördern. Mit einem Zeithorizont von 100 Jahren setzt es einen bewussten Kontrast zu den häufig kurzfristigen Projekten unserer Zeit und dient als Lern-, Erlebnis- und Forschungsort für unterschiedliche Zielgruppen, von Schulklassen über Studierende bis hin zu Fachleuten. 

Praktische Übungen und Messungen

Die Rottenburger Studierenden bekamen zuerst Gelegenheit, in einem Marteloskop selbst Hand anzulegen und das Auszeichnen von Bäumen in einem baumartenreichen Mischbestand zu üben. Klimaresilienz, Förderung der Biodiversität, Baumkrankheiten, Erholungseignung, Holznutzung – alle diese Aspekte sollten in der Übung berücksichtigt werden. Natürlich gab es verschiedene gute Lösungen, die dann mit Dr. Brüllhardt und dem örtlichen Förster diskutiert wurden.

Nächste Station war eine Pflanzfläche, die Teil eines schweizweiten Testnetzes ist. Verschiedene Baumarten und –herkünfte werden in ihrem Wuchsverhalten im Klimawandel verglichen, um ihre Anpassungsfähigkeit zu untersuchen. Außerdem wird der Netto-Gasaustausch zwischen Bestand und Atmosphäre gemessen.

Eine ehemalige Lärchen-Versuchsfläche regte dann zum Nachdenken an: einst wurden hier verschiedene Herkünfte von Lärchen getestet, jedoch ist die Fläche inzwischen aufgegeben worden und kann nicht mehr ausgewertet werden: Wissen, das heute einen großen Wert hätte. Dies untersteicht die Notwendigkeit, langfristige Projekte kontinuierlich zu pflegen und ihren Forstbestand zu sichern. 

Besuch des neuen Arboretums und weiterer Projekte 

Ein Höhepunkt der Exkursion war der Besuch des neuen Arboretums, das 251 bedeutende Gehölzarten aus Mitteleuropa beherbergt, darunter sowohl heimische als auch exotische Arten und solche, die aufgrund des Klimawandels in Zukunft möglicherweise von selbst einwandern. Bei der Bestimmung der fünf in der Schweiz heimischen Eichenarten - Stieleiche, Traubeneiche, Flaumeiche, ein Flaum/Traubeneichenhybrid und Zerreiche - durften die Studierenden ihr Fachwissen praktisch anwenden (Abb. 1). 

Das Mittelwaldprojekt des Waldlabors stellt diese historische Bewirtschaftungsform dar, die von Naturschützern sehr geschätzt wird. Mittelwälder sind eine Mischung aus Nieder- und Hochwald, sie bieten vielfältige Lebensräume und fördern die Biodiversität (Abb. 2). Das Waldlabor nutzt diese Bewirtschaftungsform, um traditionelle Waldnutzungen zu erforschen und deren ökologische und wirtschaftliche Vorteile zu dokumentieren.

Ein weiterer Schwerpunkt war das Thema Wasserhaushalt. Dr. Brüllhardt zeigte, wie der Wasserfluss in Bäumen und im gesamten Waldökosystem gemessen wird (Abb. 3). 

Eine interessante Erkenntnis war, dass an diesem Standort nur etwa 20 % des Niederschlags tatsächlich in den Bäumen ankommen. Diese Messungen tragen entscheidend zum Verständnis des Wasserhaushalts in Wäldern bei, insbesondere in Zeiten des Klimawandels, wo längere Trockenperioden und Extremwetterereignisse die Wasserversorgung der Wälder gefährden können.

Und dann gab es da noch die Projektarbeiten der Studierenden am Lehrstuhl für Architectural Behaviorology der ETHZ. Das Verhalten der Waldbesucher wird erkundet und mit geringem Mitteleinsatz und waldbürtigen Materialien Angebote für gestalt- und erlebbare Erholungseinrichtungen gemacht (Abb. 4). Das Waldlabor ist also Erfahrungs- und Lernraum weit über den forst- und naturwissenschaftlichen Blickwinkel hinaus.

Fazit und Ausblick 

Die Exkursion zum Waldlabor Zürich war für die Studierenden der HFR Rottenburg äußerst lehrreich. Sie bot nicht nur praktische Übungen und theoretisches Wissen, sondern auch einen wertvollen Einblick in die unterschiedlichen Ansätze und Projekte, die im Waldlabor durchgeführt werden. Der Blick über die Landesgrenzen hinaus ermöglichte es uns, neue Perspektiven zu gewinnen und innovative Ansätze für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung kennenzulernen. 
Das Waldlabor Zürich zeigt, wie wichtig es ist, den Wald als multifunktionalen Raum zu verstehen, der nicht nur Holz liefert, sondern auch wichtige ökologische Funktionen erfüllt und als Erholungsraum dient. Mit seiner langfristigen Ausrichtung und seinen vielfältigen Forschungsprojekten leistet es einen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung unserer Wälder. 
Herzlichen Dank an Dr. Martin Brüllhardt für die beeindruckende Führung durch das Waldlabor. Sie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, die Wälder unserer Zeit zu pflegen und für kommende Generationen zu bewahren.

Literaturhinweise: 

  1. Waldlabor Zürich Webseite  https://waldlabor.ch/vision/  
  2. Brüllhardt, M. (2024). Einführung in das Waldlabor Zürich. Vortrag während der Exkursion der HFR Rottenburg, 27.06.2024