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Hybride Wärmenetze im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung

Veröffentlicht am: 30. April 2024

Holzenergie-Tagung Baden-Württemberg 2024 zeigte Vielfalt der zukünftigen Wärmeversorgung

In der Industrieausstellung in der Versuchshalle des Technikums präsentierten sich 12 Unternehmen

Kommunen und Industriebetriebe stehen gleichermaßen vor der Aufgabe, ihre Energieversorgung klimaneutral zu gestalten. Neben Strom und Mobilität macht dabei die Wärme den größten Anteil am Energiebedarf aus. Hybride Wärmenetze, in denen verschiedene erneuerbare Wärmequellen zum Einsatz kommen, sind ein Schlüssel zum effizienten und nachhaltigen Umbau der Energieversorgung. Die diesjährige Holzenergie-Tagung Baden-Württemberg am Donnerstag, 11.04.2024 an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg beleuchtete dieses Thema aus verschiedenen Perspektiven, von der Bundes- und Landespolitik über technische Neuheiten bis hin zu ökologischen und forstwirtschaftlichen Grundlagen.

Für die Energiewende reicht es nicht, nur die Stromerzeugung zu betrachten. Dies verdeutlichte Gastgeber und Organisator, Prof. Dr.-Ing. Harald Thorwarth in seinem einführenden Vortrag. Mit 50 % entfällt der mit Abstand größten Anteil am deutschen Primärenergieverbrauch auf den Sektor Wärme. Der Verkehrssektor nutzt etwas mehr als 25% und der Stromsektor etwas weniger als 25%. Innerhalb des Wärmesektors werden nur ca. 18 % aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt, der Rest kommt nach wie vor aus fossilem Öl und Gas. „Daraus wird klar, dass der Großteil des Weges zum Ziel einer klimaneutralen und erneuerbaren Wärmeversorgung noch vor uns liegt“, so Thorwarth. Um diesen Umbau des gesamten Energiesystems erfolgreich zu schaffen, gebe es nicht die eine Lösung in Form einer einzigen erneuerbaren Technologie, auf die man sich verlassen könne. Vielmehr gelte es, alle Optionen die zur Verfügung stehen zu nutzen und klug miteinander zu kombinieren.

Wie funktioniert die Wärmewende?

Der größte Wärmebedarf herrscht während des Winterhalbjahrs. Also ausgerechnet dann, wenn wegen geringerer Sonneneinstrahlung relativ wenig Energie aus Photovoltaik oder Solarthermie zur Verfügung steht. Wie eine vollständig erneuerbare Wärmeversorgung trotzdem gelingen kann, zeigte ein aktuelles Projekt der IBS Ingenieurgesellschaft. „Im Sommerbetrieb liefern Umweltwärmequellen aus Abwasser und Luft ausreichend Wärme für das geplante Netz, das Neubaugebiete, Schulen, kommunale Gebäude und Wohnbebauung im Bestand versorgen soll“, präsentierte IBS- Geschäftsführer Patrick Schweizer. Um die Versorgung auch im Winter sicherzustellen, werden in der kalten Jahreszeit zusätzlich eine Holzheizanlage und ein Blockheizkraftwerk, jeweils mit Abgaskondensation für größtmögliche Effizienz, in Betrieb genommen. Zentrale Elemente des ausgeklügelten Systems sind eine Wärmepumpe angetrieben mit PV-Strom und ein großer Wärmespeicher.

Wärmenetz ist dabei nicht gleich Wärmenetz, wie Stefan Thalmann, von der VERENUM AG aus Zürich aufzeigt. Grundlegend lassen sich thermische Netze z. B. einteilen nach der Netztemperatur, die verteilt wird, den eingesetzten Energieträgern und der Betriebsweise (Heizen, Kühlen oder beides). Interessant ist, dass Wärmenetze oft fast wie ein lebendiger Organismus wachsen. Aus kleineren Netzen um eine Wärmezentrale herum kann im Lauf der Jahre ein weit verzweigter Verbund entstehen. Fachkundige Planung und Auslegung ist dabei die Basis für einen effizienten und wirtschaftlichen Betrieb.

Während die technischen Lösungen für eine erneuerbare Wärmeversorgung zur Verfügung stehen, sorgen die politischen Rahmenbedingungen an manchen Stellen weiterhin für Unsicherheit in der Branche. Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Fachverband Holzenergie im Bundesverband Bioenergie zog Bilanz nach dem turbulenten Jahr 2023: „Die Erneuerbare Energien Richtlinie (RED III) der Europäischen Union (EU) und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sorgten für viel Wirbel. Positiv ist, dass Holzenergie von der EU weiterhin als erneuerbare Energie anerkannt wird und auch im Sinn der Bundesförerung für effiziente Gebäude (BEG) förderfähig ist.“ Während beim Wärmeplanungsgesetz Einschränkungen für die Biomasse-Nutzung zurückgenommen wurden, übte Bücheler Kritik an den komplexen Förderbedingungen im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) und der Prozesswärmeförderung im Bundesprogramm für Energie-und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW). Kommunen wie auch Industriebetrieben fehle ohne Investitionsförderung der wirtschaftliche Anreiz zur Umstellung. Bücheler forderte daher einen offenen Ansatz, der alle EE- Technologien gleichmäßig fördert. Für diesen „gemeinsamen Weg in eine neue Energiewelt“ plädierte auch Jürgen Scheurer, neuer Geschäftsführer der Plattform Erneuerbare Energien Baden- Württemberg (Plattform EE BW). Die Plattform vernetzt die EE-Branche im Land, ist Ansprechpartner für die Landesregierung und leistet Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, um den Ausbau aller Erneuerbaren voranzubringen.

Welche Potenziale gibt es und wie können Anlagen in Zukunft weiterentwickelt werden?

Eine zentrale Fragestellung der Tagung war, wie die Effizienz von Holz-Heizwerken gesteigert werden kann. Wärmerückgewinnungsanlagen gewinnen immer mehr an Bedeutung, um den Wirkungsgrad von Holzfeuerungsanlagen zu steigern. „Technisch wird unterschieden zwischen der Rückgewinnung von sensibler Wärme durch Wärmtauscher im trockenen Zustand und der Rauchgaskondensation, die sensible und latente Wärme nutzbar macht“, erklärte Thomas Mayer von der Firma Heger Edelstahl, die Wärmerückgewinnungsanlagen für Biomassfeuerungen in verschiedenen Größenordnungen von 0,5 – 22 MW anbietet. Wird eine Wärmepumpe eingesetzt, um die Temperatur des Rauchgases unter den Taupunkt zu senken, spricht man von aktiver Kondensation. Die Vorteile einer solchen Optimierung liegen auf der Hand. Die im eingesetzten Brennstoff enthaltene Energie wird besser genutzt und es muss weniger Holz verbrannt werden. Oder es kann sogar mehr Wärme geliefert werden, ohne, dass gleich ein zusätzlicher Kessel installiert werden muss.

Fest steht: Die Menge an Energieholz, das nachhaltig zur Verfügung steht, ist begrenzt. Daher sollte das verfügbare Potenzial möglichst effizient und an den richtigen Stellen genutzt werden. Die kommunale Wärmeplanung liefert hierfür wertvolle erste Anhaltspunkte. „Ausgehend von der Entscheidung, ob ein Wärmenetz aufgrund der Verhältnisse vor Ort sinnvoll ist oder nicht, kann die zukünftige Versorgung, zentral oder dezentral, entwickelt werden“, erklärt Holger Hebisch von der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg. Das Kompetenzzentrum Wärmewende der Landesenergieagentur ist Ansprechpartner rund um die kommunale Wärmeplanung.

Wird es in Zukunft Holz geben?

Unsere Wälder leiden unter dem veränderten Klima. Das spüren auch private und kommunale Waldbesitzer. Für Jerg Hilt, Geschäftsführer der Forstkammer BW ist klar, dass eine nachhaltige und verantwortungsvolle Forstwirtschaft, wie sie in Deutschland praktiziert wird, Klimaschutz und die Versorgung mit dem wertvollen Rohstoff Holz unter einen Hut bringt.

Prognosen auf Basis wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zeigen, dass der Wald in Zukunft weiterhin da sein wird, aber anders aussehen wird. Prof. Dr. Marc Hanewinkel von der Universität Freiburg forscht zur Entwicklung der Wälder im Klimawandel. Er zeigte eindrucksvoll die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Verbreitungsgebiete der wichtigsten Baumarten und ökonomische Folgen durch klimabedingte Waldschäden.

Um die Wälder mit ihren vielfältigen Funktionen, u. a. als Lebensraum und Rohstofflieferant zu erhalten, muss die Forstwirtschaft aktiv den Umbau hin zu klimaresilienten Mischwäldern unterstützen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Qualität der Bäume, die in Zukunft geerntet werden können, für eine stoffliche Nutzung ausreicht. Eine energetische Nutzung ist in jedem Fall möglich, die Versorgung scheint damit auch in Zukunft gesichert.

Das sind gute Perspektiven für Kommunen, die im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung Netze entwickeln müssen wie auch für Industriebetriebe, die ihre Versorgung klimaneutral und unabhängig von Öl und Gas machen möchten. Die Vortragsreihe in der Aula der HFR war mit rund 130 angemeldeten Personen sehr gut besucht. Nebenan, in der großen Versuchshalle des HFR-Technikums präsentierten sich 12 Unternehmen, von Planungsbüros, über Brennstofflieferanten bis hin zu namhaften Kesselherstellern im Rahmen der begleitenden Industrieausstellung. Die Holzenergie- Tagung dient seit 2015 als Branchentreffen für den deutschsprachigen Raum. Sie wird organisiert von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, dem Holzenergie-Fachverband BW und der Plattform EE BW.

ÜBER DIE PLATTFORM EE BW

Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V. ist eine Dachorganisation der Verbände, Unternehmen und Forschungsinstitute aus der Erneuerbaren-Energien-Branche in Baden- Württemberg. Der Verein wurde im März 2019 gegründet und setzt sich für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien und die sektorenübergreifende Umsetzung der Energiewende in Baden- Württemberg ein. Die Vereinszwecke der Plattform EE sind, die klimapolitische, industriepolitische und volkswirtschaftliche Bedeutung der Erneuerbaren noch stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, den Vorteil für Verbraucher, Unternehmen und Kommunen darzustellen sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien aktiv mitzugestalten.

ÜBER DEN HOLZENERGIE-FACHVERBAND BW

Der Holzenergie-Fachverband Baden-Württemberg e.V. (HEF) versteht sich als branchenübergreifende und überparteiliche Interessenvertretung der Holzenergie. Sein Fokus liegt auf dem Einsatz energieeffizienter, erneuerbarer Technologien im Wärmesektor. Der HEF bringt Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft gemeinsam an einen Tisch und repräsentiert rund 50 Mitglieder, darunter Kommunen, Hersteller von Feuerungsanlagen verschiedener Leistungsbereiche, Fachingenieure und Handwerksbetriebe, Contracting-Anbieter, Energieversorger, Betriebe der Säge- und Holzindustrie, Holzlieferanten, wissenschaftliche Partner, Verbände und mehr.

Kontakt

Holzenergie-Fachverband Baden-Württemberg e.V.
M. Sc. Johanna Eichermüller
+49 7472 951-292
eichermueller@dont-want-spam.holzenergie-bw.de  
www.holzenergie-bw.de  

Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V.
Jürgen Scheurer; Geschäftsführer 
+49 711 7870-309
+49 162 2850112
Juergen.scheurer@dont-want-spam.erneuerbare-bw.de 
www.erneuerbare-bw.de 

Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg
Prof. Dr. Harald Thorwarth, Professur für Feuerungstechnik
+49 7472 951-142
thorwarth@dont-want-spam.hs-rottenburg.de
www.hs-rottenburg.de 
 

ur Vortragsreihe in der Aula der HFR waren rund 130 Personen angemeldet.