EU-Waldpolitik: Auch in Rottenburg wird darüber diskutiert!
Veröffentlicht am: 16. Januar 2024
Gleich zum Start des Jahres wurde an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg über ein sehr wichtiges Thema referiert und diskutiert: Die Waldpolitik der europäischen Union.
Gibt es denn die EU-Waldpolitik? Darf es diese überhaupt geben? Wie wirkt sich die Politik der EU auf die Waldbewirtschaftung aus? Und: Wie geht man heute und zukünftig damit um?
Das waren die zentralen Fragen, die durch das hochschulöffentliche Kolloquium mit dem Thema „EU-Waldpolitik“ beantwortet werden sollten. Die Veranstaltung fand am Donnerstag, den 11.01.2024 von 14 Uhr bis 17 Uhr im Hörsaal SR-EG an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) statt und war mit etwa 30 Besucher:innen gut besucht. Organisiert wurde das Kolloquium durch sechs Studierende im Rahmen des Praxisprojekts Waldpolitik im Masterstudiengang Forstwirtschaft.
Nach der Begrüßung durch den Moderator der Veranstaltung, David Mauch, und einem kurzen Wortbeitrag durch den Projektbetreuer und Studiengangsleiter des Masterstudiengangs Forstwirtschaft Prof. Dr. Christoph Schurr ging es los mit einem Impulsvortrag von Herr Dr. Metodi Sotirov.
Herr Dr. Sotirov kommt von der Universität Freiburg und beschäftigt sich am Lehrstuhl für Forst- und Umweltpolitik schon seit mehreren Jahren mit den Themen der Waldpolitik auf europäischer Ebene.
Sein Vortrag mit dem Titel „Europäische Waldpolitik: eine Einführung“ eröffnete den Zuhörenden zu Beginn einen aktuellen Überblick zu den Rahmenbedingungen, die für die waldbezogene Politik herrschen.
Danach ging er darauf ein, dass es laut den Römischen Verträgen grundsätzlich keine eigene EU-Waldpolitik gibt, jedoch viele andere Politikfelder wie Agrarpolitik, Umweltpolitik und Energiepolitik, die eine immer größere Anzahl verschiedener Normen und Strategien auch für den Wald setzen. Eindrucksvoll stellte Herr Dr. Sotirov dann die Ziel- und Interessenskonflikte zwischen den verschiedenen Politikfeldern dar. Zwischen den beiden Ausrichtungen Umwelt-/Naturschutz und holzbasierter Transformation finden sich aktuell nur wenige EU-Politiken. Oft diskutiert wird zwischen diesen Lagern vor allem die Intensität der Holznutzung und auch die Wahl der politischen Instrumente unterscheidet sich. Die aktuelle Druckrichtung der EU führt zu einer stärker regulativen und vor allem mehr auf EU-Ebene angesiedelten Waldpolitik. Dies widerspricht dem Grundsatz der Subsidiarität, dass Entscheidungen, wenn es möglich ist, auf lokaler Ebene getroffen werden.
Nach einer kurzen Pause bei Getränken und Verpflegung ging es weiter mit der Vorstellung von wissenschaftlichen Postern, die die Studierenden im Vorfeld der Veranstaltung erarbeitet hatten.
Zu Beginn der Vorstellung stellten Friederike Roth und Nikolaus Keil das 3-Milliarden-Bäume-Projekt aus dem EU-Green Deal vor. Hier besteht die Zielsetzung der EU darin, bis 2030 Drei Milliarden Bäume zusätzlich zu denen zu pflanzen, die im Rahmen regulärer Bewirtschaftung ohnehin gepflanzt werden. Im Hinblick auf die Tatsache, dass es zur Erreichung des Ziels noch deutlich mehr Engagement und Öffentlichkeitsarbeit bedarf, wurden die Chancen und Problemstellungen in der Umsetzung des Projektes erläutert.
Darauffolgend stellten David Mauch und Robert Rieschick die REDIII-Richtlinie vor. Relevant für die Waldbewirtschaftung ist diese Richtline, da sie die Rahmenbedingungen für die energetische Holznutzung reguliert. Zur Verwendung geeignetes Holz soll danach erst nach einer Nutzungskaskade verbrannt werden und auch die Nutzung von Brennholz z.B. in Altwäldern wird darin reguliert.
Das dritte Poster über das Nature Restauration Law (NRL) wurde von Robin Schmid und Paul Hoffmann vorgestellt. Das NRL, besser bekannt als die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, wird vermutlich im Februar endgültig beschlossen und dann ein regulatives Mittel darstellen, das die Wiederherstellung der Natur rechtlich sichert. Das soll in erster Linie die Biodiversität schützen, aber auch die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber dem Klimawandel erhöhen und so den Klimaschutz vorantreiben. Im Wald sollen dafür verschiedene Indikatoren genutzt werden, um die Wiederherstellung der Natur zu messen.
Übergeleitet wurde dann zur Podiumsdiskussion und damit letzten Programmpunkt des Kolloquiums. Die Diskussion wurde von Robert Rieschick und Nikolaus Keil moderiert und war mit Herr Dr. Metodi Sotirov (Universität Freiburg), Herr Matthias Kiess (MLR, Referatsleiter Waldpolitik, nachhaltige Waldbewirtschaftung und Waldnaturschutz) und Herr Simon Stahl (ForstBW, Forstbezirksleiter FBEZ Mittlerer Schwarzwald) mit Experten aus der Wissenschaft, Politik und Praxis sehr wortstark besetzt. Herr Anton Burkhart (Bayerischer Waldbesitzerverband e.V.) hatte ebenfalls für die Veranstaltung zugesagt, konnte aber leider kurzfristig nicht teilnehmen.
Diskutiert wurde innerhalb des Podiums und auch mit dem Publikum über viele verschiedene Themen wie den Austausch der Bundesländer mit den Akteuren auf Bundes- und EU-Ebene, die Förderungen für Waldbesitzende und auch die Umsetzung der waldbezogenen EU-Politiken in die Praxis. Auch über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Chancen und Herausforderungen wurde rege diskutiert.
Zum Abschluss der Podiumsdiskussion wurde durch die Moderatoren die Frage aufgeworfen: Wie kann man die EU-Politik, die in vielen Bereichen regulativ eingreift und bei vielen Akteuren negativ besetzt ist, den Menschen näherbringen und wie nimmt man die junge Generation bei diesem Prozess mit?
Der Konsens lautete: Veranstaltungen wie das Kolloquium sind das richtige Mittel, um miteinander ins Gespräch zu kommen und sich aktiv in die Gestaltung der Politik einzubringen. Dabei kommen viele Sichtweisen zusammen, die Erkenntnisse und Erfahrungen schaffen können. Die „Blackbox EU-Politik“ und häufige Blockadehaltung kann nur durch Austausch und Information aufgelöst werden.
Nach abschließenden Worten von Moderator David Mauch und dem Überreichen der Gastgeschenke an die Podiumsgäste fasste Herr Prof. Dr. Schurr die Veranstaltung noch mit wenigen Worten zusammen, die hier sinngemäß wiedergegeben werden sollen:
Die Jahre der intensiven Diskussionen über den Wald auf EU-Ebene sind vorbei, jetzt ist es Zeit die beschlossenen Strategien und Normen zu implementieren und umzusetzen. Dabei ist es wichtig miteinander zu sprechen und allen Akteuren zuzuhören, um gemeinsame Lösungen zu finden!
Der informative Nachmittag wurde noch mit Diskussionen und persönlichen Gesprächen in kleiner Runde beendet.
Wir bedanken uns bei allen Expertinnen und Experten die uns mit Ihren wertvollen Einschätzungen und Ihrem Wissen bei Experteninterviews sowie dem Kolloquium referierend und diskutierend unterstützt haben!
Ebenfalls danken möchten wir dem Förderverein der HFR (Absolventen und Freunde der HFR e.V.) für die finanzielle Unterstützung der Veranstaltung!