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Nachhaltige Stadtentwicklung in Tübingen - wie hat sich die Kompaktheit der Stadt in den letzten 120 Jahren entwickelt?

Veröffentlicht am: 08. Juli 2024

Die Universitätsstadt Tübingen setzt für eine nachhaltige Stadtentwicklung auf ressourcenschonende Innenraumentwicklung, vor allem um den unbebauten Außenbereich zu schonen und um die Wege innerhalb der Stadt kurz zu halten. Der Begriff der kompakten Stadt taucht erstmalig 1982 im Vorentwurf des Strukturplans der Amsterdamer Stadtplanung auf und führte dort zu einem revolutionären Kurswechsel. Das Leitbild der kompakten Stadt wird seither auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene propagiert und lässt sich in vielen Stadtentwicklungskonzepten wiederfinden. Inwieweit die Universitätsstadt Tübingen in den letzten Jahren kompakter und damit nachhaltiger geworden ist, wurde jetzt erstmals im Rahmen einer Abschlussarbeit von Frau Lilian Müller, Studentin des Studiengangs Nachhaltiges Regionalmanagement an der Hochschule Rottenburg wissenschaftlich untersucht.

Hierfür wurde die Entwicklung der städtischen Kompaktheit Tübingens über einen Zeitraum von 120 Jahren betrachtet. Stadträumliche Kompaktheit wird hierbei als Maßstab für die nachhaltige Ressourceneffizienz von Siedlungsstrukturen betrachtet. Anhand historischer und aktueller Kartengrundlagen wurde die Entwicklung der Stadtstruktur Tübingens innerhalb eines 1.661 ha großen Untersuchungsraums für die Jahre 1898, 1938 und 2018 digitalisiert und die Kompaktheit mit Hilfe verschiedener Kompaktheitsmaße mathematisch berechnet.

„Die Ergebnisse der Arbeit zeigen sehr schön, dass die Stadtstruktur Tübingens über die Zeit eine deutlich kompaktere, dichtere sowie weniger zerklüftete Form angenommen hat“ so Prof. Dr. Thomas Gottschalk der Betreuer der Arbeit. Dies wird deutlich durch die in der Arbeit berechneten Kompaktheitsmaße. So wurde ein deutlicher Anstieg des Gravitationsmaßes und der radial-fraktalen Dimension, und ein gesunkener Zerklüftungsgrad ermittelt. Tübingens bebaute Siedlungsstruktur hat über die letzten Jahre stark zugenommen, während die unbebauten Flächen abgenommen haben. Betrachtet man den gesamten Untersuchungszeitraum von 120 Jahren so stieg die bebaute Siedlungsfläche von 14,9% im Jahr 1898 auf 55,4% im Jahr 2018, bei gleichzeitiger Abnahme der Freiflächen (Abb. a und c). Ebenso hat die Vernetzung zwischen unbebauten und bebauten Flächen abgenommen.

Auf Basis von Vorschlägen der Fachabteilung für nachhaltige Stadtentwicklung der Universitätsstadt Tübingen wurden zusätzlich neun derzeit in Planung und Umsetzung befindliche Entwicklungsgebiete in Tübingen auf einer Gesamtfläche von 30 ha einbezogen. Hierbei wurden u.a. das Gebiet am Mühlbachäcker und am Hechinger Eck in der Studie berücksichtigt und dabei untersucht wie sich eine dortige Siedlungs- entwicklung auf die Kompaktheit Tübingens auswirken würde. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Kompaktheit Tübingens durch die neun Entwicklungsgebiete mathematisch kaum verändern würde (Abb. d). Dies wäre erst bei einer fiktiven Bebauung des Österbergs auf einer Fläche von 60 ha der Fall. 

Entwicklung der bebauten Siedlungsstruktur Tübingens

Abbildungen: Entwicklung der bebauten Siedlungsstruktur Tübingens: a) 1898, b) 1938, c) 2018 d) Zukunftsversion mit Entwicklungsgebieten und einem fiktivem Entwicklungsgebiet Österberg

Die Innenentwicklung Tübingens bringt viele Vorteile, wie z.B. die Schonung von unbebauten Flächen am Stadtrand, kürzere Wege und eine bessere Auslastung vorhandener Infrastruktur und damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Durch den Siedlungsdruck verändert sich jedoch gleichzeitig die Bedeutung von innerstädtischen Grün- und Freiflächen. Werden die Entwicklungen noch mit den Veränderungen durch die Mobilitätswende überlagert, spricht man von der dreifachen Innenentwicklung, so Martin Göppert, Leiter der städtischen Fachabteilung Nachhaltige Stadtentwicklung. Im Rahmen der vorgestellten Abschlussarbeit konnte dieser Aspekt jedoch nicht untersucht werden.

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Gottschalk
Professur für Naturraum- und Regionalentwicklung 
Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg 
Schadenweilerhof
72108 Rottenburg
Tel.: 07472 / 951-249