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Die Zukunft kann kommen! – Fünf neue Professor*innen berufen.

Veröffentlicht am: 06. November 2023

Erfolgreiche Verjüngung der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR)

Die Hintergründe
„Wir werden alle nicht jünger.“ Was wie eine unausweichliche Binsenweisheit klingt und eigentlich ebenso klar wie allen rechtzeitig bewusst sein sollte, wird in der Realität als wichtige Einsicht häufig verdrängt, hinsichtlich seiner Konsequenzen möglichst lange verschoben und bezüglich seiner Notwendigkeit viel zu lange negiert. Zu diesem allzu menschlichen Verhalten neigen auch Institutionen, Verbände, Unternehmen - und manchmal auch Hochschulen.
Während wir als Individuen lediglich beeinflussen können, wie und nicht dass wir älter werden, kann eine kluge und rechtzeitige Personal- und Personalentwicklungsplanung in Organisationsstrukturen auch das „Dass“ verhindern. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist allerdings, nicht zu warten, bis man nur noch auf das Unausweichliche reagieren kann, sondern so rechtzeitig Maßnahmen zur Personalverjüngung einzuleiten, dass (noch) ein planmäßiges Agieren möglich ist.
Kolleginnen und Kollegen werden nicht überraschend älter und scheiden mehrheitlich auch nicht unvorhersehbar aus dem aktiven Dienst aus. Es war der Hochschulleitung und den Gremien der HFR deshalb klar und bewusst, dass in den Jahren 2022 und 2023 mit den Kollegen Otmar Fuchß und Stefan Ruge – sie hatten jeweils die planmäßige Altersgrenze erreicht -, Rainer Luick nach einer einjährigen Verlängerung und Rainer Wagelaar, der nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb und deshalb seine um ein Jahr vorgezogenen Pensionierung leider nicht mehr erlebte, gleich vier Kollegen aus dem Kollegium ausscheiden würden. Alle vier aus dem Bereich der Forstwirtschaft. Zwar hat die HFR eine sehr ausgewogene Altersstruktur ihrer Professorinnen und Professoren, doch sind die jüngeren eher in den neueren Studiengängen aktiv, die zwischen 2006 und 2010 entwickelt wurden1.

Die Ausgangslage
Angesichts der unbestreitbaren und buchstäblich ausgezeichneten Entwicklung der HFR in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten ist jedes Ausscheiden eines Kollegen eine eigentlich unerwünschte Veränderung eines bis dahin offensichtlich erfolgreichen Kollektivs. Eine andere verbreitete Binsenweisheit beschreibt den Widerwillen gegen solche Veränderungen sehr treffend mit dem englischen Satz: „Never change a winning team!“
Im Falle der HFR kam die ebenso erfreuliche wie erschwerende Tatsache hinzu, dass sie inzwischen die forschungsstärkste Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) in Baden-Württemberg ist. Keine andere der insgesamt 21 staatlichen und drei HAWs in kirchlicher Trägerschaft im Land wirbt pro Professur so viele Drittmittel ein, keine andere kann eine so starke Publikationsleistung nachweisen und von keiner anderen der 24 HAWs partizipieren so viele der Professorinnen und Professoren unmittelbar am neu-verliehenen eigenen HAW-Promotionsrecht in Baden-Württemberg. An der HFR ist das ein Drittel des Kollegiums – und das obwohl sie sich mit vielen ihrer Kompetenzbereiche in eher öffentlichen und verwaltungsnahen Strukturen bewegt als in finanziell starken Wirtschaftsbranchen. Auch diese Stärke galt es mit neuen Berufungen möglichst zu sichern und weiterzuentwickeln.

Die Qualitätssicherung
Dieses Team zu erneuern – erneuern zu müssen – erforderte deshalb ein qualitätsgesichertes Verfahren, das geeignet ist, in einem möglichst hohen Maße die Ziele zu erreichen, die mit der Veränderung des Teams auch erreicht werden sollen. Und das erforderte wiederum, sich rechtzeitig mit den Zielen auseinanderzusetzen, sie nicht nur fortzuschreiben und die „Lücken zu schließen“, sondern sie an die aktuellen Erfordernisse anzupassen, weiterzuentwickeln und dann auch möglichst verbindlich festzulegen.
Die HFR hat sich dieser Aufgabe schon früh im Rahmen der Entwicklung ihres Struktur- und Entwicklungsplans (SEP) angenommen, hat sie im Rahmen von Klausurtagungen des gesamten Professor*innenkollegiums diskutiert und sie dann zur Beratung in die Hochschulgremien (Hochschulrat und Senat) gebracht. So konnten die freiwerdenden Professuren in ihren fachlichen Zuschnitten aktualisiert und aufeinander abgestimmt werden. Nach Genehmigung der SEP durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) wurden die Berufungsverfahren zur rechtzeitigen Wiederbesetzung der Professuren nach einem in der Systemakkreditierung2 der Hochschule festgelegten Ablauf angestoßen und durchgeführt. Ein wesentliches und nicht selbstverständliches Merkmal dieses formalisierten Prozesses an der HFR ist es, dass grundsätzlich externe Kompetenz und Partner*innen aus der beruflichen Praxis des Studiengangs in das Verfahren eingebunden werden, für den eine neue Professorin oder ein neuer Professor gesucht wird. 
Obwohl auch im akademischen Bereich der Fachkräftemangel längst spürbar ist, musste die Hochschule in ihrer Entscheidung jeweils sehr genau, kritisch und wählerisch sein, weil die Berufung neuer Professor*innen das wohl wichtigste Element der Qualitätssicherung an Hochschulen ist – und zugleich auch das höchste Risiko birgt, die Qualität zu gefährden.
Fast jede Berufung ist eine Festlegung auf 20 bis 30 Jahre. Etwaige Fehler sind kaum zu korrigieren.

Die Suchkriterien
Sucht eine HAW – noch dazu eine so forschungsstarke HAW wie die HFR – neue Professor*innen, dann steht sie vor einer großen Herausforderung, weil sie von den Bewerber*innen verschiedene Qualitäten erwartet, die nur sehr selten alle in einer Person vereint und für die beruflichen Aufgaben ideal ausgeprägt sind. So suchte die HFR in den Jahren 2022 und 2023 also fünf3

  1. sehr gute Lehrerinnen und Lehrer,
  2. sehr gute Forscherinnen und Forscher
  3. mit Praxiserfahrung und eigenen Praxiskontakten, die lieber mit beiden Füßen auf dem Boden der Tatsachen stehen als mit dem Kopf im berühmten Elfenbeinturm zu stecken,
  4. die Freude daran haben, mit der Praxis zu forschen – also auf konkrete Fragen und Probleme gemeinsam mit den Kolleg*innen in der Anwendungspraxis zu reagieren und Lösungen zu suchen.
  5. Kolleginnen und Kollegen, die wissenschaftlich ambitioniert sind und doch auch bereit, dort und so zu publizieren und vorzutragen, wo sie nicht nur von Mitgliedern der wissenschaftlichen Community gehört und verstanden werden.
  6. Und Persönlichkeiten, die menschlich ins Team passen, die Freude daran haben, mit und für junge Menschen zu arbeiten, die auch in der Zusammenarbeit mit der Hochschulverwaltung Teamfähigkeit beweisen und schließlich
  7. Kolleginnen und Kollegen, die Humor haben und Lebensfreude ausstrahlen.

Mit anderen Worten: Die HFR suchte fünf sympathische, breit einsetzbare, im positiven Sinne neugierige, engagierte und teamfähige Menschen, die sich auf die Hochschule und ihren neuen Job einlassen und dennoch ihren Bezug und ihre Wertschätzung für das „richtige Leben“ – also auch zu ihrem Privatleben - nicht verlieren.

Die Ergebnisse
Seit 2002 haben sich in insgesamt 33 Berufungsverfahren 605 Personen auf eine Professur an der HFR beworben. 116 (19%) dieser Bewerbungen kamen von Frauen. Der erfreuliche Schnitt von rund 18 Bewerbungen auf jede Ausschreibung konnte mit insgesamt 72 Bewerbungen in den fünf Verfahren der Jahre 2022 und 2023 nicht ganz gehalten werden. Allerdings hat der Wettbewerb um die besten Köpfe in den vergangenen Jahren aufgrund des Fachkräftemangels und der über Jahre hinweg starken Konjunktur weiter zugenommen.

Deshalb ist die HFR durchaus stolz darauf, dennoch eine hinsichtlich der Anzahl und vor allem bezüglich der Qualität der Bewerberinnen und Bewerber sehr gute Nachfrage erzielt zu haben. Sie konnte Rufe an drei Kolleginnen und zwei Kollegen aussprechen, die ihre Arbeit an der HFR inzwischen alle aufgenommen haben.
Die neuen Kolleginnen und Kollegen an der HFR sind (in alphabetischer Reihenfolge):

Frau Heinrichs hat an der Universität Bremen Biologie studiert und wurde an der Universität Göttingen promoviert. Nach einer Zeit als selbständige Beraterin kehrte sie in die Wissenschaft zurück und war zuletzt zur Hälfte an der Universität Göttingen in der Abteilung Waldbau und Waldökologie sowie mit der anderen Hälfte ihrer Arbeitszeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Ressourcenmanagement der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen und dort an der Professur für Boden- und Vegetationskunde sowie Naturschutz tätig. Ihre internationale Erfahrung basiert vor allem auf Arbeiten in Chile, wo sie noch immer wissenschaftlich aktiv ist.

Holger Jäckle hat an der HFR Forstwirtschaft studiert und ist damit aktuell der vierte Absolvent, der in Rottenburg mit einem Diplom (FH) abgeschlossen und dann den teilweise mühsamen (Um)Weg bis zu einer Professur auf sich genommen hat. Professor wurde er aber nicht „erst“ mit der Rufannahme in Rottenburg, sondern schon ein Jahr zuvor, als ihn die Hochschule Südwestfalen auf die Professur für Landnutzungsökologie berief. Davor hat er verschiedene berufliche Stationen beim Landesbetrieb ForstBW, in der staatlichen Forstverwaltung Baden- Württembergs sowie in den Mittelbehörden des Landes und an der Universität Freiburg durchlaufen. Dort, an er Universität Freiburg, wurde er auch promoviert. Herr Jäckle bringt Auslanderfahrungen aus Marokko und Südafrika mit an die HFR.

Herr Rupp war zuletzt an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden- Württemberg in Freiburg (FVA) in der Abteilung für Waldnaturschutz tätig. Auch studiert hat er in Freiburg und zwar Biologie und Geografie, wodurch er an der damaligen Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften den Abschluss als Biogeograf erreichte und dort in Kontakt mit den Forstwissenschaften kam. Promoviert wurde er von der Fakultät für Umwelt und natürliche Ressourcen der Universität Freiburg zu einer forstlichen Fragestellung, die er an der Professur für Landespflege bearbeitet hatte. Mattias Rupp hat seine internationalen Erfahrungen insbesondere in Großbritannien und auf Island gesammelt.

Frau Siemonsmeier hat an der TU München Forstwissenschaften studiert und wurde von der Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt promoviert. Sie arbeitete u.a. als Forstliche Fachkraft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Töging am Inn, als wissenschaftliche Mitarbeiterin der TU München, bei der Stiftung Fledermaus in Thüringen und in verschiedenen Sachgebieten der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft in Freising – zuletzt in der Abteilung Biodiversität und Naturschutz.
 

Frau Steinebach war vor ihrer Berufung an die HFR als Dozentin (Lehrkraft für besondere Aufgaben) an der Fakultät Ressourcenmanagement der Hochschule für Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen tätig. Studiert hat sie ebenfalls in Göttingen – und zwar an der dortigen Universität die Disziplinen Forstwissenschaften und Ethnologie. Und ebenfalls in Göttingen wurde sie als Ethnologin von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät promoviert. Bevor sie an die Hochschule zurückkehrte war sie überwiegend freiberuflich als Beraterin, Trainerin, Coach und Moderatorin tätig, hatte aber auch berufliche Stationen als wissenschaftliche Mitarbeiterin verschiedener Universitätsinstitute sowie am Forschungszentrum für Waldökosysteme in Göttingen. Sie hospitierte bei der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ, heute GIZ) in Malaysia. Ihre Dissertation befasste sich mit einer Fragestellung auf Sumatra in Indonesien, wohin sie noch immer aktive Arbeitsbeziehungen hat. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die Schnittstelle zwischen Wald und Gesellschaft. Sie forscht und lehrt in Bereichen Umweltbildung, Forstliche Kommunikation, Konfliktmanagement und Veränderungsprozesse

Das Fazit
Ob Berufungen tatsächlich erfolgreich waren, ob es gelungen ist, die Lücken in gleicher Qualität zu schließen, wie sie verdiente Kollegen vorher ausgefüllt hatten, und vielleicht sogar neue wichtige Kompetenzen an die Hochschule zu holen, die für eine zukunftsorientierte Ausbildung der Studierenden und die anwendungsorientierte Forschung wichtig sind, kann man mit letzter Sicherheit erst in einigen Jahren sagen. Fest steht aber schon jetzt, dass das Professor*innenkollegium der HFR durch diese fünf erfolgreichen Berufungsverfahren weiblicher geworden ist und jünger.
Aber auch andere Pluspunkte für die Weiterentwicklung der Hochschule sind schon jetzt ganz sicher: So führen die fünf Berufungen zu einer weiteren Stärkung ökologischer Aspekte in der Entwicklung und Vermittlung einer modernen, verantwortlichen und zukunftsfähigen Forstwirtschaft an der HFR. Ökologische Ziele und soziale Aspekte der Waldwirtschaft spielten in allen fünf bisherigen Werdegängen eine wichtige Rolle. Und alle fünf neuberufenen Kolleginnen und Kollegen waren schon in ihren bisherigen Tätigkeiten bemerkenswert forschungsaktiv. Sie bringen Auslandserfahrungen und neue internationale Kontakte mit nach Rottenburg, verfügen über Lehrerfahrungen auf Hochschulniveau, haben ihre didaktischen Fähigkeiten nachgewiesen und sind im Rottenburger Hochschulalltag längst dabei, diese weiterzuentwickeln. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebens- und Ausbildungswege, mit Hochschulabschlüssen, die teilweise aus anderen Disziplinen stammen und so die forstwissenschaftliche Kompetenz ideal ergänzen, tragen die „Neuen“ auch zu einer zeitgemäßen disziplinären Diversifizierung der HFR und der hier gelehrten Forstwirtschaft bei. Wichtig ist auch, dass die drei Professorinnen und die beiden Professoren in ihrer akademischen Entwicklung Praktikerinnen und Praktiker geblieben sind und nicht nur sehr gute Kontakte in die wissenschaftliche Community haben, sondern weiterhin auch in die berufliche Praxis und in die Verbände-Struktur. Das sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit an einer HAW. Die Kombination aus diesen Fakten (skills) entspricht in idealer Weise dem Leitprinzip der HFR: „Nah dran. Weit voraus.“
 
Und schon jetzt kann auch festgestellt werden, dass die fünf neuen Kolleginnen und Kollegen menschlich gut ins Team der HFR passen und es mit ihren Persönlichkeiten bereichern. Das ist nicht selbstverständlich, aber wichtig. Gut und wichtig ist auch, dass mit den Kolleginnen Heinrichs, Siemonsmeier und Steinebach nun (endlich) auch für den forstlichen Teil des Professor*innenteams der HFR wieder Frauen gewonnen werden konnten. Das bereichert das Kollegium und freut auch die Studierenden. Immerhin ist seit Jahren schon mehr als ein Drittel der Studierenden der Forstwirtschaft an der HFR weiblich.
Damit hat die Hochschule für Forstwirtschaft einen großen und wichtigen Schritt des Generationenwechsels und der fachlich-inhaltlichen Weiterentwicklung in ihrem Fachbereich Forstwirtschaft erfolgreich hinter sich gebracht.
Die Zukunft kann kommen!


1 Die HFR bietet die Bachelorstudiengänge Forstwirtschaft, Ressourcenmanagement Wasser, Erneuerbare Energien, Holzwirtschaft sowie Nachhaltiges Regionalmanagement an. Sie verfügt außerdem über die drei Masterstudiengänge Forstwirtschaft, Ressourceneffizientes Bauen sowie für die Technik und Wirtschaft erneuerbarer Energien den Masterstudiengang SENCE (Sustainable Energy Competence). Alle Studiengänge dienen einer nachhaltigen Entwicklung und verantwortlichen Nutzung natürlicher Ressourcen.

2 Die HFR ist systemakkreditiert. Das heißt, dass die Hochschule, die in ihr etablierten Prozesse und ihre Qualitätssicherungssysteme von einer externen Agentur überprüft und deren Funktionalität bestätigt wurden.

3 Besetzt wurden vier frei gewordene Professuren sowie eine seit längerer Zeit unbesetzte Professur im Stellenplan der HFR.