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30 Jahre Kontinuität und Sachverstand

Veröffentlicht am: 13. Januar 2025

Joachim Reis aus Riedlingen, der „Klassensprecher der Baumschulen“, beendet seine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg

Joachim Reis am Pult während einer Vorlesung

Fast auf den Tag genau 30 Jahre lang hat Diplom-Forstwirt Joachim Reis an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) als externer Lehrbeauftragter das Fach „Forstliches Vermehrungsgut und Forstpflanzenanzucht“ unterrichtet. Nachdem er im Hauptberuf inzwischen Rentner ist, hat er nun auch diese Nebentätigkeit beendet. Die HFR hat ihm im Rahmen eines Empfangs für sein außerordentliches Engagement gedankt und ihn in seinen nahezu vollständigen Ruhestand verabschiedet.

Zieht man in Betracht, wie alt Bäume werden können, sind 30 Jahre nicht viel. Aber eine dreißigjährige, nebenberufliche Lehrtätigkeit an einer Hochschule ist eine bemerkenswerte Seltenheit und ganz besondere Leistung. Sie bedeutet nämlich nicht nur, dass der oder die Lehrende den damit verbundenen Reiseaufwand an den Tagen der Lehre und die Lehrleistung im Hörsaal auf sich nahm, Lehrunterlagen erarbeitete und aktuell zu halten hatte, sich immer wieder auf andere junge Menschen mit anderen Lebens- und Bildungswegen, sich verändernden schulischen Vorkenntnissen und neuen Erwartungen einstellen musste, alljährlich mündliche Prüfungen vorzubereiten und durchzuführen hatte und Klausuren korrigierte. Sondern die Tatsache, dass die Hochschule so lange an einem Lehrbeauftragten festhielt zeigt auch, dass es dem Betreffenden über all die Jahre ausgezeichnet gelungen ist, sein Wissen, seine Sachkenntnis und seine Didaktik aktuell zu halten, damit die Studierenden zu erreichen und zur anerkannt hohen Qualität des Studiengangs beizutragen.

Das ist Joachim Reis in seinem Lehrauftrag an der HFR unzweifelhaft zu bescheinigen. In den vergangenen 30 Jahren haben fast 2.000 angehende Revierförsterinnen und Revierförster von ihm – und damit aus erster Hand – gelernt, was sie für ihren späteren Beruf über die Arbeit in und die Bedeutung von Baumschulen für die moderne Forstwirtschaft wissen mussten. Von naturwissenschaftlichen Themen, über produktions- und beschaffungstechnische Themen, bis hin zu den rechtlichen Grundlagen bei der Erzeugung und beim Inverkehrbringen von forstlichem Vermehrungsgut. 

Mit Joachim Reis wurde den jungen Forstleuten dieses Wissen ausgerechnet von einem gelernten Forstmann vermittelt, der die heimische Forstwirtschaft nach seinem Staatsexamen nicht „von innen“ – also als Förster – prägte, sondern „von außen“ wichtige Akzente setzte. Reis war bei der Baumschule Karl Schlegel OHG verantwortlich für die Geschäftsbereiche Verkaufsleitung und Öffentlichkeitsarbeit. Auch in seinem Hauptberuf war der Oberschwabe ein Beispiel für Kontinuität, Loyalität und Zuverlässigkeit.

Damit war Joachim Reis für die Studierenden, die ganz überwiegend später Revierförsterinnen und Revierförster in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und im Saarland wurden, auch derjenige, der ihnen einen gewissen Abstand sowie den wichtigen, distanzierten Blick auf den eigenen Beruf und Berufsstand vermittelte. Ähnliches hat er stets auch als engagierter Fachmann und Streiter in Berufs- und Fachverbänden getan. Auf diese Weise – über die von ihm mitgeprägten jungen Menschen und die jungen Bäume – hat er vermutlich mehr und ganz sicher weiter verbreitet „persönliche Duftmarken“ in den Wäldern Süddeutschlands hinterlassen als die meisten Försterinnen und Förster das in einem Arbeitsleben tun.

Der Rektor der HFR, Prof. Bastian Kaiser dankte Joachim Reis im Rahmen eines Empfangs, den die Hochschule anlässlich seiner letzten Lehrveranstaltung nach 30 Jahren gab, für seinen Einsatz, seinen hohen Sachverstand, seine Offenheit und auch für seinen Humor. 

„Joachim Reis war so etwas wie der wichtigste ‚Klassensprecher´ der Baumschulen in Süddeutschland und ein wichtiger Mahner, der unermüdlich darauf hinwies, dass die Forstwirtschaft nie ganz auf die aktive Pflanzung von Bäumen verzichten kann – und sei der Kostendruck noch so hoch“, sagte Bastian Kaiser. „Der dringende Bedarf an geeignetem und herkunftsgerechtem Vermehrungsgut nach den großen Sturmereignissen der vergangenen Jahrzehnte und gerade jetzt, wo wir unsere Wälder mit anderen, mit neuen Baumarten umbauen und klimaresilient machen müssen, bestätigen seine Auffassung und unterstreichen die Bedeutung von Baumschulen für die Zukunftsfähigkeit der Forstwirtschaft.“

Es sei deshalb auch ein Verdienst des Lehrbeauftragten Joachim Reis, dass das von ihm vertretene Fach, trotz der Wissensexplosion in vielen Bereichen der modernen Forstwirtschaft, keiner Studienreform an der HFR zum Opfer fiel, sondern als wichtige Grundlage des Waldbaus erhalten blieb. Das lag auch im besonderen Interesse des früheren Waldbauprofessors Prof. Dr. Hans-Peter Ebert und seines Nachfolgers Prof. Dr. Sebastian Hein, die Joachim Reis für diesen Lehrbeauftrag gewinnen und ihn so lange dafür an der HFR halten konnten. 

Joachim Reis wäre sich selbst untreu geworden, wenn er nicht längst für seine Nachfolge gesorgt hätte: mit Frau Kathrin Barth, im Hauptberuf Abteilungsleiterin Forst bei der Baumschule Karl Schlegel OHG und künftig im Nebenamt als Lehrbeauftragte der HFR übernimmt die Thematik eine Absolventin der Rottenburger Hochschule – eine Persönlichkeit, die ihr „Handwerk“ unter anderem bei Herrn Reis gelernt hat. Und typisch für Herrn Reis ist auch, dass er der Hochschule zum Abschied einen Ginkgo-Baum für ihren forstbotanischen Garten schenkte. Als bleibende Erinnerung mit Zukunft.

Joachim Reis wird die zusätzlich gewonnene Freizeit nach Ende seines Lehrauftrags zunächst für eine längere Auslandsreise nutzen und sich dann wieder der Kommunalpolitik widmen, denn vollständiger Ruhestand wäre wohl nichts für ihn. Ganz bestimmt bleibt er aber auch der HFR und seinen fast 2.000 ehemaligen Schützlingen verbunden. Er ist in diesem Netzwerk überall im Land - und selbstverständlich immer auch an der Hochschule in Rottenburg ein gern gesehener Gast.

Zusatzhinweis:

Lehraufträge, die von engagierten Persönlichkeiten der späteren beruflichen Praxis der Studierenden wahrgenommen werden oder von Fachleuten aus Spezialgebieten, die nicht von einer Professur der jeweiligen Hochschule abgedeckt werden, sind gerade für Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) prägend. Sie sind ein Element zur Sicherung einer hohen Ausbildungsqualität, einer hohen Aktualität des Lehrangebots und des angestrebten hohen Praxisbezugs der Lehrinhalte. Andere Elemente des Praxisbezugs sind studentische Bachelor- und Masterarbeiten, die gemeinsam von Praktiker*innen und Lehrenden der Hochschule betreut werden, Gastvorträge von Vertreter*innen der Praxis, das integrierte Praxissemester der Studierenden in Bachelor-Studiengängen sowie zahlreiche Übungen, Seminare, Lehrfahrten und Exkursionen, die in Betriebe, zu Unternehmen führen oder von Lehrbeauftragten mitbetreut werden.

Lehrbeauftragte nehmen ihre Aufgaben i.d.R. nebenberuflich wahr, ergänzen das hauptamtliche Lehrpersonal und sie häufig selbst Alumni der Hochschule an der sie später lehren. In Zeiten des Fachkräftemangels nutzen einige Unternehmen ganz gezielt die mit solchen Lehraufträgen verbundene Chance, sehr frühzeitig und vergleichsweise tief in Kontakt mit potentiellen zukünftigen Mitarbeitenden zu kommen und so die eigene Personalakquise zu unterstützen.

Die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg nutzt dieses Element der Qualitätssicherung und -steigerung in allen ihren Studiengängen ganz gezielt und gibt ihren Lehrbeauftragten durch die laufenden studentischen Evaluationen eine regelmäßige und hilfreiche Rückmeldung zu Ihrem Engagement in der Hochschullehre. Die Lehraufträge werden vergütet. Reisekosten werden übernommen und die Lehrenden können ihre Tätigkeit z.B. in ihrem Internetauftritt, dem ihrer/s Arbeitgeber*in, auf der Visitenkarte oder im eigenen Lebenslauf in eigener Sache angeben.