Kurzbericht zur Diskussionsrunde mit Chris Kühn am 19.01.2021
Veröffentlicht am: 26. Januar 2021
Im Rahmen der Vorlesung Umweltpolitik diskutierten am 19.01.2021 Studierende des Studiengangs Ressourcenmanagement Wasser mit dem Bundestagsabgeordneten Chris Kühn von Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Eingangs berichtete Herr Kühn von seinem politischen Arbeitsalltag im Bundestag sowie seinen derzeitigen Arbeitsschwerpunkten. Daran schloss sich eine sehr intensive 90-minütige Diskussion an, in der fachliche Fragen einzelner Politikbereiche aber auch übergeordnete Fragen zur umweltpolitischen Praxis diskutiert wurden. Darüber hinaus interessierten sich die Studierenden für persönliche Aspekte aus Herr Kühns politischem Alltag.
Mit Blick auf die konkreten umweltpolitischen Problemfelder stand insbesondere die Klimapolitik im Mittelpunkt. Dabei ging es z.B. um die Frage, ob und wie sich das 1,5°C-Ziel noch halten lässt und wie eine darauf gerichtete Klimapolitik aussehen könnte. Im Zuge dessen waren u.a. der Kohleausstieg und sein zeitlicher Vollzug Diskussionspunkte. Zudem stand die Frage im Mittelpunkt, welchen Beitrag veränderte Konsummuster zur Abschwächung der Klimakrise leisten können. Aber auch tagesaktuelle Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Corona-Krise und Klimapolitik wurden behandelt.
Der Schwerpunkt der Diskussion lag auf übergeordneten Fragestellungen zur umweltpolitischen Praxis an sich. So wurde diskutiert, inwiefern Politik als Subsystem der komplexen modernen Gesellschaft überhaupt eine rationale Steuerungsfunktion übernehmen kann. Auch das schwierige Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft kam mehrfach zur Sprache. Wie ist die Divergenz zwischen wissenschaftlicher Erkenntnislage und umweltpolitischer Praxis zu erklären? Deutlich wurde, dass sich die Vorstellung von Politik als sachrationale Umsetzung eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht halten lässt. Neben die „Verwissenschaftlichung von (Umwelt-)politik“ tritt durch die Uneindeutigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und deren interessengeleitete Interpretation im Politikbetrieb eine „Politisierung von Wissenschaft“. Wichtiger Diskussionspunkt war zudem Lobbyismus in seinen vielfältigen Facetten und damit zusammenhängende Problemlagen im Politkfeld Umweltpolitik. Deutlich wurde, dass Lobbyismus ein wichtiger Teil von Demokratie ist, jedoch spätestens dann problematisch wird, wenn die Einflussmöglichkeiten auf die politische Entscheidungsfindung ungleich verteilt sind. Ausführlich wurde auch das generelle Verhältnis zwischen dem gegebenen demokratischen Institutionengefüge und dem Ziel ökologischer Nachhaltigkeit thematisiert. Beispielsweise ging es um den Vorschlag der Einrichtung eines Zukunftsrates als dritte Kammer im Gesetzgebungsverfahren oder die Frage, inwiefern eine Stärkung des Parlaments zu einer ambitionierteren Umweltpolitik beitragen könnte. Das derzeitige Wahlsystem wurde mit Blick auf das Thema Generationengerechtigkeit hinterfragt.
Deutlich wurde in der gesamten Diskussion das Spannungsverhältnis zwischen den aus der wissenschaftlichen Analyse drängender Umweltprobleme abgeleiteten Handlungserfordernissen und dem schwerfälligen und komplexen Widerstreit der Interessen im demokratischen Aushandlungsprozess. Insbesondere die bremsende Rolle einflussreicher Beharrungsinteressen wurde vielfach herausgearbeitet und problematisiert. Für die Studierenden ergab sich als Ergänzung zur theoretischen umweltpolitischen Lehre ein wertvoller, wenn auch teilweise ernüchternder Einblick in die umweltpolitische Praxis.